Hier teile ich meine Erfahrung mit dem ÖBB Nightjet zwischen Graz und Berlin im Privatabteil. Der Nachtzug fährt über Wien, Tschechien und Polen. Insgesamt ein entspanntes Reisen auf den Schienen.
Der Nightjet der ÖBB (NJ456) fährt zwischen Graz und Berlin und braucht 14 Stunden und 35 Minuten. Er fährt um 19:20 Uhr vom Graz Hauptbahnhof ab und erreicht Berlin Hauptbahnhof um 9:55 Uhr. Für das private Sitzabteil haben wir insgesamt 139,- Euro gezahlt. Der Zug fährt als Nightjet ebenfalls andersherum, also von Berlin nach Graz.
Große Vorfreude auf den ÖBB Nightjet
Unsere Vorfreude auf die Nachtzugfahrt fällt ganz unterschiedlich aus. Stefans Lust auf die lange, ungewisse Zugfahrt ist eher gering. Ich hingegen freue mich auf die entspannte Anreise von Graz nach Berlin.
Bis zum Abend hatten wir genug Zeit, unseren Jobs nachzugehen. Am Nachmittag arbeiteten wir unsere Packlisten durch und packten Koffer, Rucksäcke und Taschen.
Stefan entscheidet sich, seinen alten Weltreise-Backpack zu nehmen, da er bequemer am Rücken zu tragen ist. Ich nehme einen kleinen Handgepäckskoffer für meine Anziehsachen. Plus Laptop und Buch zum Zeitvertreib.
Da wir ein privates Sitzwagenabteil (also keinen Schlafwagen) gebucht hatten, packten wir auch Kissen und Decken mit ein. Für die Fahrt von 14 Stunden brauchen wir natürlich auch Proviant.
Im Vergleich zu Schlafwagen und Liegewagen wird im Nightjet kein Bettzeug bereitgestellt. Wie der Name schon sagt, sind im Sitzabteil Sitze und keine Betten. Dafür kann man die Sitze aber so umklappen und zusammenziehen, dass sie als Liegefläche taugen. Die Armlehnen lassen sich ebenfalls zurückklappen.
Mit dem Angebot der ÖBB war es glücklicherweise möglich, das ganze Abteil für 139,- Euro nur für uns zu buchen. Es ist eigentlich für sechs sitzende Leute gedacht. Hier könnten also auch drei Leute schlafen, dann wird es noch etwas günstiger pro Person, weil die 139,- Euro für das ganze Abteil gelten (nicht pro Person). Da wir zu zweit sind, haben wir so noch mehr Platz für uns. Mit Fremden würden wir das Abteil nicht teilen wollen.
Auf geht’s zum Bahnhof
Pünktlich erreichen wir den Hauptbahnhof Graz und dort das Gleis 1. Der Nightjet der ÖBB steht bereits bereit. Den richtigen Wagen mit unserem Abteil finden wir schnell. An der Tür hängen Zettel mit unserer Reservierung Graz nach Berlin. Es stinkt leider etwas nach Bier, aber wir sind uns sicher, dass wir den Geruch bald nicht mehr wahrnehmen werden.
Wir inspizieren alles um uns herum. Der Zug ist auf jeden Fall ein sehr altes Modell. Die Garderobenhaken sind zum Teil abgebrochen, der Sonnenschutz ist leicht verbogen, die Steckdosen sind vergilbt, aber zumindest funktioniert eine davon. Für den Laptop gibt es an den beiden Fensterplätzen ausklappbare Tische. Vorhänge gibt es enttäuschenderweise keine, sodass jeder in unser Abteil blicken kann.
Um gleich mal für etwas Gemütlichkeit zu sorgen, ziehen wir unsere Schuhe aus. Die Sitze verwandeln wir zu Liegen, damit wir uns ausbreiten können. Das große Gepäck befördern wir nach oben.
Die Abteile neben uns sind noch zum Teil leer. Ab Wien soll der Nightjet dann voller werden, wie ich anhand der Reservierungszettel interpretiere. Wir sind gespannt. Für uns heißt es jetzt erst einmal entspannen.
Wir fahren los
Zwischen Graz und Wien hält der Zug in Bruck an der Mur und Wiener Neustadt. Bis jetzt hat noch niemand unsere Fahrkarten kontrolliert. Eine Ansage dröhnt und informiert über die Nachtruhezeiten. Sehr schön. Zwischen 21 Uhr und 8 Uhr wird es deshalb keine Durchsagen geben.
Gerne hätten wir die Kabine mal durchlüftet, aber es gibt keine Möglichkeit das Fenster zu öffnen.
In Wien kommen wir gegen 22 Uhr an. Eine Schulklasse steigt ein. Die 14- bis 16-Jährigen stauen im Zug und suchen nach ihren Abteilen. Ihre Aufsichtsperson (vielleicht eine Lehrerin?) teilt den Schülern Kabinen zu. Lachen und Kichern aus allen Richtungen. Sie empfinden offenbar genauso viel Spannung beim Erkunden der Zugeinrichtung. Immer wieder spüren wir Erschütterungen, wenn Gepäck oder Sitze hin und her bewegt werden. Die Wände der Nachbarabteile lassen viele Geräusche durch.
Leider werden die Schüler nie etwas über die Nachtruhezeiten erfahren, denn die Durchsagen sind ja seit einiger Zeit eingestellt. Niemand fühlt sich im Zug verantwortlich, die Jugendlichen darauf hinzuweisen. Na ja, irgendwann werden auch sie müde werden.
Es ist Zeit zum Schlafen
Wir gähnen um die Wette. Es ist bereits lange nach 22 Uhr und damit auch „legitim“ zu schlafen, rechtfertigen wir uns. Wir schalten das Licht ab, damit es in unserer Kabine etwas dunkler wird.
Stefan nimmt ein Halstuch als Lichtschutz und Ohropax für den Lärmschutz. Ich habe eine Schlafbrille dabei und höre noch etwas Podcast. Leise ist es nicht und dunkel nicht wirklich. Wie bereits erwähnt, haben wir keine Vorhänge: weder am Fenster noch an unserer Tür. Von draußen dringt vor allem die Beleuchtung einiger Bahnhöfe ein, die wir passieren.
Ein paar mal werden Waggons entkoppelt oder drangehängt. Das rucket dann leicht.
Die Lüftung der Heizung, die wir nicht regulieren können, ist nicht gerade leise.
Fahrtkartenkontrolle
Es ist Mitternacht und jemand öffnet die Schiebetür unseres Abteils. Fahrkartenkontrolle. Ich verstehe die Sprache nicht, aber es wird wahrscheinlich Tschechisch sein. Von der Uhrzeit her müssten wir gerade durch Tschechien fahren.
Wir legen uns nach dem Herzeigen unserer Fahrkarten wieder hin und versuchen weiterzuschlafen.
Es ist 3 Uhr nachts. Wieder steht jemand vor unserer Kabine und fordert unsere Fahrausweise. Wieder in einer anderen Sprache. Nach Reisepässen fragt komischerweise niemand, obwohl wir inzwischen schon Polen erreicht haben. Warum sprechen sich die Kontrolleure nicht ab, wer schon wo kontrolliert hat?
Dem Kontrolleur ist das Handydisplay von Stefan zu dunkel, um den QR-Code zu scannen. Ich schalte meine Taschenlampe ein und leuchte auf die digitalen Zugtickets. Dann klappt das Scannen der digitalen Fahrausweise.
Zwischen 3 und 8 Uhr höre ich wieder die Jugendlichen, wie sie untereinander im Gang erzählen, dass sie nur 1,5 Stunden geschlafen haben. Ich wills gar nicht wissen, wie lange (oder besser: wie kurz) ich geschlafen haben.
Stefan muss die Nacht mehrere Male auf die Toilette. Ich habe mich nichts zu trinken getraut. Wobei etwas Flüssigkeit zu der trockenen Luft im Privatabteil sicherlich sinnvoll gewesen wäre. Die Toilette war auf jeden Fall sehr sauber. Es gab WC-Papier und Desinfektionsmittel.
Der nächste Morgen…
Noch einige Male wälze ich mich hin und her und erkundige mich nach der verbleibenden Zeit bis zu Ankunft am Ziel. Noch drei Stunden sind es bis Berlin Hauptbahnhof. Von Polen geht es weiter nach Deutschland über Frankfurt an der Oder.
Wie auf einer Wolke haben wir nicht geschlafen, aber wir fühlen uns trotzdem recht fit. Stefans Uhr hat analysiert, dass er über sechs Stunden geschlafen hat. Sogar ziemlich fest angeblich.
Wir frühstücken unser Mitgebrachtes „im Bett“ und richten so langsam alles wieder her. Bereits wenige Minuten vor der Ankunft in Berlin stehen wir im Gang bereit zum Aussteigen.
Mein Fazit
Ich würde es immer wieder machen. Der Preis für das Zugticket von 139,- Euro für zwei mit dem ÖBB Nightjet ist etwa gleich teuer oder vielleicht sogar günstiger. Pro Person hätte der Flug sicherlich mehr als 70,- Euro gekostet. Kürzer ist die Anreise mit der Bahn definitiv nicht. Auf jeden Fall ist es doch entspannter (kein Stress am Flughafen). Und ziemlich gemütlich war unser kleines Nest im Privatabteil, das wir uns hergerichtet haben. Wer vorher weiß, worauf er sich einlässt, kann entsprechend packen (Kissen, Decken etc.).
Verglichen mit Fliegen ist der ökologische Fußabdruck bei einer Zugreise um Welten geringer. Das Flugzeug aus Bequemlichkeit zu wählen, ist keine Entschuldigung. Und alles andere als förderlich für die Klimakrise.
Mini-Packliste fürs Privatabteil: Kissen und Decke, Essen und Trinken, Hausschuhe, Schlafmaske und Ohropax, gemütliche Hose und Pulli zum Schlafen. Eine Isolierkanne mit heißem Wasser und Instantkaffee ist optional.
Verglichen mit dem Schlafwagen: Ein halbes Jahr zuvor fuhr ich die Strecke zwischen Zürich und Graz im Schlafwagen, mit dem Nachtzug. In einer privaten Schlafkabine, die ich mit niemandem teilen musste. Auf dieser Übernachtfahrt habe ich aber nicht besser geschlafen als im privaten Sitzabteil. Der einzige Vorteil war, dass der geschlossene Raum wesentlich dunkler war.
Der ÖBB Night Jet ist auf jeden fall eine zuverlässige Möglichkeit nach Berlin zu kommen. Falls es wieder Streik gibt, klappt das allerdings nicht. Dann kann man sich im Zweifelsfall einen privaten Jet buchen.
Danke für den interessanten Beitrag! Meine Frage: Wenn man nur einen Platz im Sitzwagenabteil bucht, sind dann trotzdem nur maximal 3 Personen in einem Abteil zugelassen und man kann sich eine Liege aus dem gegenüberliegenden Sitz bauen oder werden die Abteile dann mit bis zu 6 Personen besetzt? Danke & liebe Grüße
Sie werden leider mit bis zu sechs Sitzplätzen belegt. Wenn es nicht ganz teuer ist, könnte man sich natürlich zwei Sitzplätze buchen. Ein Trick wäre auch (hab ich aber nicht getestet) eine Sitzplatzreservierung für einen weiteren Sitz (ohne Fahrkarte zu buchen). Eine Sitzplatzreservierung kostet ja nur drei Euro. 🙂
War außen gekennzeichnet, dass es ein Privatabteil ist bzw. keine Sitze frei sind?
Somit es andere Fahrgäste auch wissen? Oder wollten Leute zu euch hinein?
Hallo Sabine,
ja, es war außen gekennzeichnet, dass es für uns reserviert war. Ich schaue später mal nach, ob ich davon ein Foto gemacht habe.
LG, Janine
Sind die Sitze im Privatabteil starr oder kann man sie in eine Liegeposition bringen?
Man kann sie in Liegeposition bringen.
Wenn im Privatabteil die Sitze zu Liegen zusammengeschoben sind, wie groß darf man sein, um sich ausstrecken zu können?
Mein Freund ist 1,89 m groß und konnte sich nicht ausstrecken. Allerdings war es möglich, dass wir uns schräg legen, weil das Abteil für drei Leute vorgesehen war, wieder aber nur zu zweit gebucht hatten.
Ich hoffe, das hilft dir weiter.
Wann war diese Reise?
Letzes Jahr im Dezember