Mit Beginn der Wandersaison häufen sich auch die Einsätze der Bergrettung. Schlagzeilen wie „Immer der Wander-App nach? Ehepaar vom Berg gerettet“ oder „Wanderer setzt auf App und stürzt in den Tod“ sind keine Seltenheit. Natürlich sind das extreme Beispiele, aber auch im Freundeskreis hört man öfter mal: „Komoot hat mir einen falschen Weg gezeigt – das nutze ich nicht mehr!“ Doch das eigentliche Problem liegt in der Regel nicht bei der App selbst.
Diese Schlagzeilen zeigen, dass digitale Navigation beim Wandern nicht immer zuverlässig ist. Besonders oft wird Komoot kritisiert – aber das Problem betrifft alle Wander-Apps. Da hier dasselbe digitale Kartenmaterial, also die OpenStreetMap, zugrunde liegt.

Jeder kann sich auf Komoot anmelden und seine Touren veröffentlichen – ob privat oder als Institution. Ähnlich wie den veröffentlichten Inhalten auf Wikipedia sollten wir auch hier dem Inhalt nicht blindlings vertrauen. Wir kennen die Person hinter der veröffentlichten Wanderung nicht – sie könnte eine ganz andere Vorstellung von „leicht“ haben oder gar querfeldein statt auf offiziellen Wegen gegangen sein. Ein Fall aus den letzten Jahren zeigt, dass 99 Schüler gerettet werden mussten, weil ihre Lehrkräfte einer als „leichte Nachmittagswanderung“ beschriebenen Route vertrauten.
Sind veröffentlichte Touren noch aktuell?
Ein weiterer Punkt ist die Aktualität veröffentlichter Wanderungen. Wenn ein User seine Tour online stellt, wird er sie nicht mehr aktualisieren. Das gilt zumindest für private User, die den Großteil der veröffentlichten Wanderungen ausmachen. Das bedeutet, dass eine Route auch Jahre später noch unverändert online stehen kann, obwohl der Weg vielleicht gar nicht mehr existiert.
Auch neue Touren sind keine Garantie – Wetter und Bauarbeiten können Wege kurzfristig blockieren. Durch Wetterereignisse können Wege überschwemmt werden oder Erdrutsche sie unpassierbar machen. Auch plötzliche Waldarbeiten, die selten im Netz angekündigt werden, können die Route blockieren. Und natürlich spielt auch die Jahreszeit eine große Rolle: Im Winter sind manche Wege einfach wegen Schnee und Eis nicht begehbar. Es gibt hier also keinen Anspruch auf verlässliche Informationen. Hier muss man also selbst ein wenig mehr Recherche betreiben.
Warum auch Karten nicht immer stimmen
Es gibt mehrere Erklärungen, warum ein Wanderweg nicht mehr existiert – selbst wenn er auf Komoot noch auf der Karte eingezeichnet ist. Das bringt uns zu den digitalen Landkarten. Hast du dich je gefragt, wer eigentlich die Karten pflegt und regelmäßig aktualisiert, in die du hinein- und herauszoomst? Dasselbe kann man sich auch für die realen Wanderwege vor Ort fragen – sie wurden vielleicht mit Schildern und Markierungen versehen, müssen aber regelmäßig überprüft und gewartet werden, je nach Lage sogar mehrmals im Jahr. Wenn wir uns die Karten von Deutschland und Österreich ansehen, wird schnell klar, wie riesig und umfangreich die Gebiete sind, die es zu pflegen gilt. Es gibt tausende von Forstwegen, Waldsteigen und Straßen – wer soll die alle auf dem neuesten Stand halten? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Komoot oder Outdooractive machen das nicht, wie du dir vorstellen kannst. Ressourcenmäßig wäre das eine enorme Aufgabe, die auch von irgendwem finanziert werden muss.
Das Wikipedia für Wanderkarten
Die detaillierten, scrollbaren Wanderkarten basieren in den Wanderapps auf OpenStreetMap (OSM). Das bedeutet, dass jeder Pfade und andere Details, wie zum Beispiel einen Teich oder einen Trinkbrunnen, eintragen kann, ohne dass es einer offiziellen Prüfung bedarf. Wie bereits erwähnt, können sich Wanderwege aus vielen Gründen ändern: Manchmal werden sie wegen des Wetters verlegt, manchmal verschwinden sie ganz oder es wird einfach eine neue Route hinzugefügt. Dies sowohl in einer Tourenbeschreibung als auch in der OSM aktuell zu halten, das ist eine Herkulesaufgabe.
Ich hoffe, du verstehst jetzt, warum es so schwierig ist, Wanderkarten aktuell zu halten – und dass nicht jeder eingezeichnete Weg noch existiert. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man extra dorthin gefahren ist, aber die Natur ist eben voller Überraschungen und ständiger Wandel gehört einfach dazu.
Es bleibt die Selbstverantwortung
Noch offen ist das wichtige Thema „Selbstverantwortung“. Es ist verlockend, die Schuld auf andere zu schieben und zu sagen: „Die Wanderapp hat mir gesagt, ich soll die unmarkierte Böschung hinabsteigen, und deshalb habe ich mich verlaufen.“ Doch letztlich sind wir selbst für uns und unsere Mitwandernden verantwortlich. Denk an das Navi im Auto: Wenn es dir sagt, du sollst links abbiegen, und du landest im See, in welche Richtung lenkst du? Genauso gilt beim Wandern: Wenn der Weg plötzlich nicht mehr wie ein offizieller Wanderweg aussieht, ist es die beste Entscheidung, umzudrehen.
Wandern ist wirklich eine wunderbare Freizeitbeschäftigung und es gibt so viele Gründe, warum wir es lieben! Allerdings unterscheidet es sich doch ein bisschen vom gemütlichen Spaziergang. Wandern erfordert Trittsicherheit und zu wissen, wie man eine Karte richtig liest, sowie die verschiedenen Schwierigkeitsstufen zu verstehen. Neben der Verantwortung für sich selbst ist hier auch eine ehrliche Selbsteinschätzung wichtig – das bedeutet, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen, bevor man eine Tour auswählt. Social Media vermittelt oft den Eindruck, dass jeder problemlos wandern kann. Aber nur aufgrund von Bildern sollte man das nicht bewerten. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Internet und Wander-Apps sind wunderbare Quellen, die viel Inspiration bieten – aber dessen Inhalte auch mit einem geschulten Auge betrachtet werden sollten.
Warum beschäftige ich mich eigentlich damit? Ich bin Teil eines ehrenamtlich agierenden Teams beim ÖAV, das die Wanderwege instand hält. Ich arbeite als offizielle Redakteurin und plane Wanderungen auf Komoot und Outdooractive, bin hauptberuflich Wanderbloggerin und habe einen starken IT-Background. Mir ist es deswegen ein Anliegen, das Thema digitale Wanderkarten und Touren verständlich zu erklärem. Mich ärgert es immer wieder, wenn jemand sagt, er habe sich wegen der Wanderapp verlaufen. Ich bin aber sicher, dass die meisten das sowieso schon wissen.
Meine Profile: Ich nutze beide Wanderapps zu unterschiedlichen Zwecken.


Weiterlesen
- Schlagzeile: 99 Schüler und acht Lehrer im Kleinwalsertal aus Bergnot gerettet ↗ (DerStandard)
- Schlagzeile: Auf Handy-App verlassen: Paar von Bergwacht am Säuling gerettet ↗ (Alpin Magazin)
- Videokurs: Kartenkunde ↗ (Wanderbares Deutschland)
- Schwierigkeitsgrade von Wanderwegen ↗ (Deutscher Alpenverein)
Dieser Beitrag soll verdeutlichen, dass die Verantwortung letztlich bei jedem Einzelnen liegt. Wander-Apps sind lediglich Werkzeuge, deren richtiger Gebrauch gelernt sein muss.