Das erste Mal Biwakieren wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Hier teile ich meine Erfahrung, die ich in den Bergen Österreichs sammeln durfte.
Ich liebe das draußen unterwegs sein. Seit ich in Österreich lebe, verbringe ich jedes Wochenende an der frischen Luft, inmitten der Natur. Am liebsten abseits von Menschenansammlungen.
Immer wieder probiere ich Outdoor-mäßig neue Dinge aus und werde um Erfahrungen reicher. Wie wäre es mal mit Biwakieren? Das klingt nach einem echten Mikroabenteuer, oder?
Biwakieren im Unterschied zum Zelten: Beim Biwakieren schlafen Menschen unter freiem Himmel. Während man beim Zelten im Zelt, also einem geschlossenen „Raum“, schläft.
Viel wusste ich nicht über das Biwakieren. Außer, dass es, wie auch das Wildzelten, fast überall verboten ist. Das ist dann regional noch einmal unterschiedlich. In den starken Tourismusregionen gibt es so gut wie keine Ausnahmereglungen. Irgendwie schade. Das Jedermanns Recht, wie es das in skandinavischen Ländern gibt, ist uns im Alpenraum fremd.
Was ich sonst noch über das Biwakieren wusste? Dass ich keine Ahnung hatte, was man dafür alles an Ausrüstung braucht.
So kam ich zum Biwakieren
Eine Bekannte erzählte mir von einem Verein, wo immer mal wieder geführte Wanderungen angeboten werden, die sich speziell an Frauen richten. Offenbar besuchte ich die Vereinswebsite genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn ich fand heraus, dass am Wochenende darauf ein Wanderausflug der besonderen Art anstand. Nämlich mit Übernachtung am Berg. Und das: ganz legal. Mit dem Hüttenwirt abgesprochen war, dass wir in der Nähe seiner Hütte unter freiem Himmel schlafen dürfen.
Meine (keine) Vorbereitung
Per E-Mail bekam ich von der Veranstalterin eine Packliste zugesendet. Ich antwortete, dass mir ein Teil der Ausrüstung fehlte und ich mir ein paar wenige Sachen ausleihen müsste. Einen wärmenden Schlafsack für die angekündigten Niedrigtemperaturen während der Nacht, hatte ich zum Glück noch von meiner Reise durch Kanada. Den hatte ich mir vor ein paar Jahren für unseren Kanada-Roadtrip gekauft, denn im Frühling waren dort die Nächte ziemlich kalt.
Der Tag ist gekommen
In einer Gruppe, bestehend aus ein paar Frauen, fuhren wir vom Bahnhof mit dem Zug und dann noch mit dem Bus zu unserem Abenteuer Biwakieren. Von der finalen Bushaltestelle wanderten wir etwa 1,5 Stunden bis zu einer Hütte. Auch wenn mein Rucksack bis zum letzten Zentimeter voll bepackt war, beschwerte sich mein Rücken keinmal. Vielleicht liegt es an meiner Erfahrung als Backpackerin und Weitwanderin, die ich zum Beispiel auf dem Lechweg und dem Gastein Trail sammelte.
Aufbau des Lagers
Etwas abseits der bewirtschafteten Hütte durften wir unser Biwak-Lager aufschlagen. An einem Hang, der von anderen steilen Hängen und Bäumen eingekesselt war, sollten wir einen sicheren Platz für die Nacht haben. Als absoluter Neuling schaute ich zunächst den Erfahrenen beim Aufbau zu – und unterstützte, wo ich konnte. Im Zelt habe ich zwar schon ein paar Male geschlafen, musste es aber nie selbst aufbauen.
Wegen der unbeständigen Wetteraussichten war der erste Schritt, die Tarps, also die wasserabweisenden Planen, aufzuspannen. Seile und Heringe, wie man sie vom Zelten her kennt, kamen zum Einsatz. Die Bäumchen um uns herum, sowie kleine und große Steine, ermöglichten Verstärkung beim Halt für die gespannten Seile. So langsam machten sich unsere Mägen bemerkbar.
Wir nutzten das Angebot der Hütte und genossen dort das für uns zubereitete Essen. Viele andere Wanderer kehrten hier ebenfalls ein. Am Nachmittag stand für uns noch eine kurze, gemütliche Wanderung an. Schließlich wollten wir uns diese wunderschöne Bergwelt näher anschauen. Mit dem Gedanken, am nächsten Morgen mit diesem Bergpanorama aufzuwachen, erlebten wir die Umgebung noch viel intensiver.
Zu unserem Pech: Der Himmel zeigte sich schon die ganze Zeit bedeckt. Also nichts mit sternenklarer Nacht. Die Wetterprognosen in den verschiedenen Apps hätten nicht unterschiedlicher sein können. Regenwahrscheinlichkeit und Gewitteraussichten waren von niedrig bis hoch.
Bevor es also ganz dunkel wurde, wollten wir die Matten und Schlafsäcke herrichten. Im Anschluss daran sollte ein gemütliches Lagerfeuer anstehen, das vom Hüttenwirt genehmigt war. Hierfür sammelten wir nach der kleinen Wanderung ein paar Zweige zu einem Haufen zusammen.
Unter der Plane sitzend war ich gerade dabei, meine Matte und meinen Schlafsack ausbreiten, als es anfing zu regnen. Zum lauten Starkregen wurde es innerhalb von Sekunden. Während ich noch überlegte, flüchteten die Anderen in die Hütte. Ich redete mir ein, dass der Regen in der nächsten Minute wieder aufhörte. Irgendwie war ich auch neugierig, die Plane zu testen. Hält sie wirklich das Wasser ab und unser Untergrund bleibt trocken?
Auf die Uhr habe ich nicht geschaut. Keine Ahnung, wie lange ich unter der Plane verharrte und auf das Ende des Regens wartete. Ich beobachtete alles um mich herum, bis ich feststellte, dass es sogar hagelte. Anfang September und der erste „Schnee“?!
Nach einer guten Weile sah ich, wie sich mir eine gelbe Jacke näherte. Endlich mal wieder ein Mensch. Vielleicht mag es eine halbe Stunde her sein. Wir überlegten, wie wir so packen, damit wir alles mitnehmen können und es trocken bleibt.
Zu diesem Zeitpunkt regnete es schon deutlich weniger. Der Weg zur Hütte war jedoch eine Rutschpartie. Ein steiler Abhang hinab über Steine und Wiese, die ziemlich glitschig waren.
Der Abend neigt sich dem Ende
Zurück in der Hütte ließen wir den Abend gemütlich in der Gruppe ausklingen. Immer wieder mal wurde die Wetterprognose nachgelesen. Wetter App 1 sagte was anderes als Wetter App 2 und Wetter App 3. Wir hatten nun zwei Optionen. Jeder konnte für sich frei wählen: in der Hütte nächtigen oder draussen zu biwakieren.
Ich entschied mich für letzteres. Aber auch nicht sofort, sondern ein paar Momente brauchte ich. Entscheiden für mich war, dass ich zum Biwakieren hier bin und diese Erfahrung unbedingt machen möchte. Zurückblickend würde ich mich ärgern, wenn ich es nicht versuchen würde. Die Hälfte unserer Gruppe entschied sich zum Biwakieren, die andere für die Hüttennächtigung.
Im Dunklen versorgte ich meine Schlafmatte mit Luft und rollte meinen Schlafsack aus. Ich freute mich auf die Gemütlichkeit meines warmen Daunenschlafsacks. Damit meine Schuhe nicht feucht werden und meine Stirnlampe und anderes Zeugs griffbereit liegen, verstaute ich dies unter meiner Regenjacke. Diesen wertvollen Tipp bekam ich von meiner Nachbarin, die sich mit mir eine von insgesamt drei Planen teilte.
Bereit fürs Schlafen verkroch ich mich in meinen Schlafsack, setze meine dicke Mütze auf. Handschuhe verstaute ich in meinen Schlafsack. Es war ziemlich warm, sodass ich mich meiner Fleecejacke entkleidete und sie ebenfalls in den Schlafsack drückte. Dann versuchte ich zu schlafen, beobachte aber auch, was um mich herum noch passierte.
Kuhglocken läuteten. Besorgt fragte ich die noch wachen, ob hier ganz sicher keine Kühe hinkommen. Es hörte sich an, als ständen die Kühe direkt neben uns. Tagsüber hatte ich einen (nicht ganz frischen) Kuhmisthaufen neben unserem Lager entdeckt.
Zwar konnte ich nicht direkt in den Himmel schauen, da die Plane über meinem Kopf befestigt war, aber ich konnte aufs Gras blicken und nahm Geräusche wahr. Springen da gerade irgendwelche Insekten auf meinen Schlafsack? Ich zog diesen noch weiter mein Gesicht hoch.
Es begann zu knistern. Ich drehte mich hin und her, damit das Geräusch aufhörte. Es waren aber keine Insekten und auch nicht der Klettverschluss am Schlafsack, was knisterte. Es waren Regentropfen, die ihren Weg bis auf die Plane fanden. Es war unglaublich laut. Ohropax hatte ich nicht dabei. Ich wollte ja schließlich mit Geräuschen der Natur einschlafen.
Der Regen wurde stärker und lauter. Eine Verstärkung, die die Plane hochhielt wurde durch den Wind zum Einstürzen gebracht. Das merkte ich, als mir die Plane im Gesicht klebte.
Ich fixierte sie neu, während meine Nachbarin neben wir weiterzuschlafen schien.
Das half jedoch gar nichts und die Plane flattert auf und ab, stürzte wieder ein. Anders als am Nachmittag kam nun zum Starkregen auch noch Sturm hinzu. Außerdem leuchtete der Himmel immer wieder. Ganz leise war Donner zu hören. Na super. Und jetzt?
Unter der benachbarten Plane beobachte ich die Anderen unter der Plane neben uns. Ich konnte aber nicht hören, worüber sie redeten. Konnte es mir aber denken. Eine Frau stand auf und war nach wenigen Schritten nicht mehr zu sehen. Eine andere schien, ihre Sachen zu packen. Ich flüsterte, um die anderen nicht zu wecken, wollte aber gleichzeitig auch gehört werden. Ich erfuhr, dass sie hinunter zur Hütte absteigen und dort schlafen.
Ich entschied mich, meine Sachen ebenfalls zu packen. Und zwar so, dass alles möglichst trocken bleibt, was ich noch zum Schlafen brauchte. Wenn eine der Leiterinnen das Weite suchte, dann kann es hier doch nicht mehr sicher sein. Ich zog meine Schuhe an, zog meine Stirntaschenlampe über meine Mütze. Die Anderen waren inzwischen schon verschwunden.
Es kam alles anders
Vor der Dunkelheit fürchtete ich mich überraschenderweise wenig. Die größte Angst hatte ich vor dem Ausrutschen. Der Weg hinab war nämlich ein steiniger, richtig glitschiger Pfad. Und den musste ich im Dunklen beschreiten. Meine Stirntaschenlampe leuchtete mir den Weg. Mit viel Gepäck in den Händen musste ich gleichzeitig auch noch balancieren.
An der Hütte angekommen zog ich meine Schuhe wieder aus, schaltete meine Stirntaschenlampe ab und suchte mir auf dem Boden eine freie Fläche. Ich breitete meinen Schlafsack wieder aus. Ich schaute auf die Uhr. Es war nach Mitternacht.
Niemand, wirklich niemand aus der Gruppe, hat die Nacht im Freien verbracht. Starkregen, Sturm, Gewitter machten es unmöglich (und vor allem unsicher) draußen unter klarem Sternenhimmel zu nächtigen.
Aber auch die Übernachtung auf dem Boden der Hütte war ein Abenteuer wert und wir feierten uns am nächsten Morgen, dass wir es zumindest versucht haben. Das Wetter war am nächsten Tag wieder besser und wir wanderten nach dem Frühstück noch zu einem Gipfel. Gegen Nachmittag fuhren wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wieder nach Hause.
Habe ich nun biwakiert – oder nicht? Es waren etwa drei Stunden, die ich unter freiem Himmel verbrachte. Gewitter und Lautstärke des Regens und des Windes hatten es unmöglich gemacht.
Für mich war die Nacht ein kleines aber sehr gelungenes Abenteuer. Es war zum Glück nicht so schlimm, wie die schlimmste Nacht im Zelt, die ich auf dem Vulkan Acatenango in Guatemala verbrachte. Dort habe ich wirklich um unser Leben gefürchtet.
Mit dem so-halb-Biwakieren bin ich auf jeden Fall wieder um eine Erfahrung – und ein Mikroabenteuer reicher. Die Neugierde auf ein zweites Mal hat mich auf jeden Fall geweckt. Lust hätte ich auf jeden Fall, „richtig“ zu biwakieren. Am liebsten wieder irgendwo in der Steiermark, wo es erlaubt ist.
Weil mich das Thema und die Rechtslage interessiert, habe ich mal ein wenig recherchiert. Biwakieren in der Steiermark: Das Wildcampen in ganz Österreich ↗ ist generell untersagt. Was ich im Detail über das Biwakieren am Berg in der Steiermark ergoogeln konnte ist, dass es außerhalb von Naturschutzgebieten und Almen, theoretisch oberhalb der Baumgrenze (Ödland) erlaubt wäre.