Ich wandere schon so lange alleine, dass ich mich gar nicht mehr an das erste Mal erinnere. Von Tageswanderungen über Mehrtagestouren in Österreich, Deutschland und Slowenien – solo unterwegs zu sein, ist für mich ganz normal geworden. Dennoch werde ich oft gefragt: „Wie? Du gehst alleine wandern?“ oder „Das ist ja mutig von dir!“ Dabei kommt doch auch niemand auf die Idee, es seltsam zu finden, alleine zum Arzt oder in den Supermarkt zu gehen.
Wer meinen Blog oder meine Instagram-Posts kennt, weiß längst: Alleine wandern ist für mich kein Abenteuer, sondern eine Leidenschaft.
5 Gründe fürs alleine wandern
Es gibt viele Gründe, warum man allein loszieht. Manchmal finden sich schlicht keine Begleiter, die Zeit oder Lust auf Wandern haben. Manchmal zieht es einen einfach raus in die Natur, ganz ohne Ablenkung durch Freund oder Freundin. Und genau das irritiert andere – denn in unserer Gesellschaft wird Alleinsein häufig als „unnormal“ wahrgenommen. Dabei sprechen diese fünf Gründe eindeutig fürs Alleinwandern:
- Den Kopf frei bekommen
Nichts hilft so gut dabei, den Alltag hinter sich zu lassen, wie ein Spaziergang durch die Natur. Allein kannst du deine Gedanken sortieren und deine eigenen Wege gehen. Nach einer Tour fühlst du dich oft befreit und klar im Kopf. - Komfortzone verlassen
Allein zu wandern fordert dich heraus, Entscheidungen selbst zu treffen und dich auf deine Fähigkeiten zu verlassen. Es ist ein Schritt aus der Komfortzone, der dich immer wieder wachsen lässt und stärkt. - Sich selbst besser kennenlernen
Wenn du alleine unterwegs bist, hörst du auf deine innere Stimme, anstatt dich an die Dynamik einer Gruppe anzupassen. Du erlebst dich selbst intensiver, nimmst deine eigenen Bedürfnisse wahr und entdeckst immer wieder Neues an dir. - Die Natur intensiver erleben
Ohne Ablenkungen nimmst du die kleinen Details wahr – das Rascheln der Blätter, das Rauschen eines Baches, das Zwitschern von Vögeln. Allein bist du aufmerksamer, achtsamer und erkennst Dinge, die in einer Wandergruppe untergehen. - Im eigenen Tempo gehen
Allein bestimmst du das Tempo. Du kannst Pausen einlegen, wann immer du möchtest, die Aussicht genießen, ohne dich nach dem Rhythmus anderer richten zu müssen – weder drängeln noch warten. Diese Freiheit bedeutet pure Erholung.
Thema Sicherheit
Sicherheit ist ein Punkt, der oft angesprochen wird, wenn es ums Alleinwandern geht. Manche, vor allem diejenigen, die das „mutig“ finden, ohne Begleitung unterwegs zu sein, denken dabei sofort an gruselige Szenarien. Doch die Statistik zeigt ein überraschendes Bild: Erschreckenderweise passieren die meisten Gewaltverbrechen an Frauen in der Familie oder im Bekanntenkreis (Stichwort Femizide). In der Natur sind Frauen also viel sicherer. Die erfahrene Weitwanderin Christine Thürmer hat das einmal treffend beschrieben: „Niemand versteckt sich tagelang im Wald und wartet darauf, dass eine Frau ganz alleine vorbeikommt.“
Natürlich bleibt das Risiko, sich zu verletzen. Auch hier sei angemerkt, dass die meisten Unfälle im eigenen Haushalt oder im Zusammenhang mit Autofahren stehen. Wir leben in Deutschland, Österreich und der Schweiz in dicht besiedelten Regionen, mit einem großen Angebot an Wanderrouten. Und diese sind auch noch gut ausgeschildert und frequentiert. Komplett allein auf einer unmarkierten, komplett verlassenen Route zu landen, ist sehr unwahrscheinlich.
Angst zulassen
Es ist völlig in Ordnung, wenn sich das Alleinwandern anfangs ungewohnt oder sogar etwas beängstigend anfühlt. Viele haben am Anfang Zweifel oder ein mulmiges Gefühl, allein in der Natur unterwegs zu sein. Diese Ängste zuzulassen und ihnen Raum zu geben, ist ein wichtiger Schritt – mit der Zeit werden sie kleiner, und das Selbstvertrauen wächst. Es braucht manchmal nur ein paar kleine Touren, um festzustellen, dass man gut alleine zurechtkommt und sich auch ohne Begleitung wohlfühlen kann.
Ich selbst habe zum Beispiel Respekt vor Kühen, die mir auf dem Weg begegnen könnten, und auch Höhenangst an exponierten Stellen. Dazu kommt noch die Angst vor der Anfahrt, besonders die Sorge, dass ein Autounfall passieren könnte. Solche Ängste sind für mich Begleiter, aber sie halten mich nicht davon ab, das nächste Mal wieder loszuziehen – vielmehr lerne ich, mit ihnen umzugehen und erlebe tolle Erfolgsmomente.
Alleine wandern? Trau dich!
Alleine wandern kann eine wirklich bereichernde Erfahrung sein. Vielleicht stellst du fest, dass es nicht deins ist. Okay, dann weißt du es zumindest. Aber vielleicht gefällt es dir auch sooo gut, dass du direkt die nächste Tour planst.
Hier aus Auszug meiner diesjährigen Solo-Wanderungen: Slowenien-Hüttentour, Almsee-Ameisstein, Sauerland, Ardennen, Tiroler Silberpfad und Welterbesteig Wachau.
Allein wandern ist nicht nur etwas für Menschen, die tatsächlich allein sind, sondern auch für jene, die in einer Beziehung stehen und bewusst diese Zeit für sich selbst suchen. Alleine in der Natur zu sein, bringt Klarheit und Ruhe – und das ist wertvoll, egal ob man den Alltag sonst mit anderen teilt oder nicht.